Kleve. Über diese Straße lässt sich
trefflich streiten. Ist sie überflüssig wie ein Kropf? Oder trägt sie
dazu bei, das Verkehrschaos an der Gruftkreuzung zu verhindern? Die
Befürworter betonen die Verkehrsberuhigung der Tiergartenstraße und
sehen in der Querspange einen wichtigen Baustein für die Vollendung des
Klever Rings. Die Gegner ärgern sich über die Verkehrsverlagerung, die
Rindern mehr Lärm bescheren wird und die Gruft mitnichten entlaste.
Zündstoff für ein Streitgespräch.
Die NRZ bat den CDU-Stadtverbandsvorsitzenden Jörg Cosar und Prof. Heinz
Falk, Sprecher der Bürgerinitiative, an einen Tisch, um über das Für
und Wider der Straße zu diskutieren.
Frage: Herr Cosar, warum braucht
Kleve diese Querspange?
Jörg Cosar: Kleve braucht eine
Verbesserung der Infrastruktur. Ich sehe in der Querspange eine Steigerung
der Lebensqualität auf der Tiergartenstraße und der Aufenthaltsqualität
im Bereich des Forstgartens. Auf der anderen Seite sehe ich natürlich die
Belastung für Rindern, doch ich denke, dass wir die Bundesstraße aus der
Innenstadt herausholen sollten. Schön
ist, dass man die Tiergartenstraße verkehrsberuhigen kann, ähnlich wie
das vor dem Kreishaus geschehen ist.
»Die Querspange ist eine logische Folge der
Weiterführung des Klever Rings«
Frage:
Die Beschlussvorlage für die
Querspange argumentiert allerdings mit einer Entlastung der Gruftkreuzung
und nicht mit einer Erhöhung der Aufenthaltsqualität der
Tiergartenstraße.
Heinz Falk:
Die
Vorlage für den Planungsauftrag - geht ganz genau davon aus, dass an der
Kreuzung Gruftstraße / Tiergartenstraße in Stoßzeiten ein - wie Jürgen
Rauer sich ausdrückt - „Verkehrschaos" entsteht. Und das ist die
Begründung, warum der Landesbetrieb Straßen NRW diesen Auftrag bekommen
hat. Denn wenn der Bund etwas finanzieren soll, dann macht er das
normalerweise nicht, weil eine Stadt eine Flaniermeile haben möchte,
sondern aus verkehrstechnischen Gründen. Insofern ist das für die
formale Vorgehensweise, das Vorhaben mit einer Flaniermeile zu begründen,
schwierig. Und es ist sehr zweifelhaft, ob der Bund dieses auch
befürworten würde. Das heißt, ohne die Begründung einer
verkehrstechnischen Notwendigkeit wird man das Projekt nicht durchbringen
können.
Jörg Cosar:
Da bin
ich d'accord. Ich sage meine Meinung als Stadtverbandsvorsitzender der
CDU. Ich bin nicht die Verwaltung. Die Begründung, die die Verwaltung am
Anfang gesetzt hat, war mir auch zu wenig und nicht ganz einleuchtend.
Heinz Falk:
Ja, aber
Herr Cosar, wenn die Begründung jetzt geändert wird, dann heißt das
natürlich, dass für den Bund überhaupt kein Grund mehr besteht, diese
Bundesstraße zu verlegen und dafür viel Geld auszugeben.
Jörg Cosar:
Was Sie
jetzt durch die Verkehrszählung festgestellt haben, ist einleuchtend. Die
Querspange wird keine Entlastung für die Gruftstraße im Bereich untere
Kreuzung bis zum griechischen Restaurant bringen. Aber dass die
Gruft-Kreuzung durch den Linksabbiegerverkehr, der jetzt von der
Tiergartenstraße auf den Klever Ring möchte, entlastet wird, ist doch
unstrittig. Sie werden jetzt vielleicht sagen, das fällt nicht ins
Gewicht, aber immerhin. Ich bin der Meinung, dass man Bundesstraßen aus
den Innenstädten herausholen sollte. Die Querspange ist für mich eine
logische Folge der Weiterführung des Klever Rings. Natürlich ist das nur die
zweitbeste Lösung, aber die Planung für die große Anbindung an den
Kranenburger Tennisschläger ist
nun mal nicht
machbar.
Heinz Falk:
Die Spange ändert in der Tat nur etwas für die
Linksabbieger auf der Tiergartenstraße. Alle anderen, die geradeaus in
die Stadt wollen oder in die Oberstadt, müssen wieder vom Hotel Cleve
zurück zu dieser Kreuzung. Die Entlastung ist sehr gering.
Jörg Cosar:
Aber für
den Bereich Forstgarten erzielen wir eine signifikante Verkehrsberuhigung.
Und der Tiergarten wird von der Bevölkerung sehr gut angenommen.
Heinz Falk: Aber die
Tiergartenstraße wird ja in keiner Weise verkehrsberuhigt, wenn Sie von
1700 Pkw runterkommen auf 1500. Das ist zwar eine Verminderung, aber das
ist doch nicht gravierend. Aber
das spielt ja auch gar keine
Rolle. Wir haben eine Beschlussvorlage des Rates mit der Begründung, die
Gruftkreuzung zu entlasten.
Jörg Cosar:
Wir
erzielen durchaus eine Verkehrsberuhigung, wenn der Rat beschließt, die
Tiergartenstraße zurückzubauen.
Heinz Falk:
Moment,
der Landesbetrieb hat einen Auftrag bekommen aufgrund der Formulierung im
Beschlussvorschlag, der verkehrlichen Notwendigkeit. Richtig ist, dass ein
Umweltverträglichkeitsgutachten erstellt worden ist, in dem steht, dass
ein Teil des Landschaftsschutzgebietes entwidmet werden muss und damit
aber im Bereich Kurhaus und Forstgarten eine Entlastung auftritt. Das ist
etwas Positives. Aber man ist immer davon ausgegangen, und so hat das auch
Verkehrsplaner Rauer dargestellt, dass ohne die Maßnahme Querspange ein
Verkehrskollaps im Bereich Gruftkreuzung auftritt.
»Wenn die Spange nicht kommt, bleibt die
Tiergartenstraße eine Bundesstraße«
Jörg Cosar: Ich komme noch mal auf mein Argument zurück: Wenn
die Querspange nicht kommt, dann wird die Tiergartenstraße als
Bundesstraße festzementiert. Meine Kinder und Kindeskinder werden dann
eine Änderung nicht
mehr erleben. Dann haben Sie vielleicht Recht - und ich bin traurig, weil
ich damit keinerlei Steigerung der Lebensqualität erreicht habe. Für
mich persönlich ist der Bereich Forstgarten einer der schönsten, den die
Stadt hat. Und zurzeit ist es fürchterlich, wenn man vom Forstgarten in
den Verkehr reinfällt.
Heinz Falk:
Der
geringen Verbesserung am Forstgarten steht aber eine gravierende
Verschlechterung des Gebietes zwischen Eichenallee und Wasserburgallee,
welches integraler Bestandteil der Moritz von Nassauschen Gartenanlagen
ist, gegenüber. Außerdem mehr Verkehrslärm an der Landwehr.
Frage:
Ihre Argumente sind deutlich geworden. Ein Blick in die Zukunft:
Der Verkehr aus den Niederlanden wird wachsen. Da ist es doch gut, die
Autos aus der Stadt zu halten.
Heinz Falk:
Der
Verkehr wird zunehmen. Ich sehe nur, dass anhand der jetzigen Zahlen die
Entlastung eine Marginalie ist. Herr Cosar, Sie haben ja Recht. Es ist
unschön, dass so viel Verkehr am Forstgarten ist. Nur dies verhindert man
nicht durch die Querspange. Mein Punkt ist: Wir brauchen eine etwas
generellere Lösung, die auch darauf Rücksicht nimmt, dass der Verkehr
aus den Niederlanden zunehmen wird. Und die fehlt.
Gleichwohl: Der meiste Verkehr an
der Gruftkreuzung kommt nicht aus den Niederlanden, sondern ist
Quellverkehr: Leute, die von der Oberstadt in die Unterstadt wollen - oder
umgekehrt. Und die wollen das auch, wenn die Querspange da ist.
Jörg Cosar:
Der Forstgarten, die Kanalanlagen, das Amphitheater,
das Museum - das sind absolute Naherholungsgebiete. Und da gibt es jetzt
eine Bundesstraße! Das ist mein Petitum. Ich gestehe Ihnen ja zu, dass
Sie verkehrsfachlich da näher dran sind als ich. Ich erlaube mir aber
auch, mein Bauchgefühl sprechen zu lassen. Weil ich da auch aufgewachsen
bin und den Forstgarten einfach schön finde.
Heinz
Falk: Ja sehen
Sie, ich finde ihn auch schön.
Frage:
Verhindert die Querspange eine große Lösung B9neu?
Jörg Cosar:
Die
Planung für die Anbindung des Tennisschlägers stand ja. Nur das sind ja
jetzt Dinge, die wir nie mehr verwirklichen können. Da bin ich Realist
genug.
»Die Situation an der Gruft wird sich definitiv
nicht verbessern«
Heinz Falk:
Wenn die
Querspange realisiert würde, hätte dies auch Auswirkungen auf weitere
Straßenbaumaßnahmen. Es ist sicher so, wenn Straßenbau NRW diese
Maßnahme macht, dann werden vorläufig keine größeren Projekte mehr
angeschoben.
Jörg Cosar:
Also mit dieser Argumentation hätten Sie mich
natürlich gezwungenermaßen auf Ihrer Seite. Denn natürlich ist die
Ostumgehung in Kellen wesentlich wichtiger. Aber diese Straßen haben
absolut nichts miteinander zu tun, sonst müsste ich natürlich gegen die
Querspange sein, selbstverständlich. Aus verkehrspolitischer Sicht gibt
es nur eine wichtige Straße: das ist die B220neu.
Frage:
Herr Cosar, ihre Argumente für die Querspange haben relativ
wenig mit dem zu tun, was in der Beschlussvorlage steht. Eigentlich
müsste sie geändert werden.
Jörg Cosar:
Das weiß ich nicht. Das ist für mich auch nicht
ausschlaggebend. Die Argumentation der Beschlussvorlage ist für die
Stadtverwaltung schlüssig und ich sehe Vorteile in der Entwicklung für
die Tiergartenstraße. Ich weiß, dass man in anderen Städten auch
Bundesstraßen aus der Innenstadt herausnimmt, um die Verkehrsbelastung zu
verringern. Anders kriege ich die Bundesstraße ja auch nicht raus. Wie
soll das gehen, wenn die Querspange nicht
gebaut wird? Das ist für mich das Hauptargument.
Heinz Falk:
Gut, aber
die Wirkung ist nur eine Beruhigung für den Forstgarten. Was wir
brauchen, ist eine größere Lösung, die auch eine Entlastung der Gruft
bringt. Die Vorlage der Stadt ist nicht stichhaltig. Die Stadt hat keine
Untersuchung durchgeführt. Und bei der Verkehrszählung ist eindeutig
herausgekommen, dass die Notwendigkeit für diesen Straßenbau nicht
gegeben ist.
Jörg Cosar:
Bundesstraßen
werden gebaut, um den Durchgangsverkehr zu beschleunigen.
Durch die Spange werden die Autos vom Ring Richtung Nütterden schneller
unterwegs sein.
Heinz Falk:
Die schon,
aber alle anderen nicht. Und die Verkehrssituation an der Gruft wird
definitiv nicht verbessert.
Jörg Cosar:
Aber der Verkehrsfluss wird sich um mindestens 10
Prozent mindern.
Heinz Falk:
Wem nützt
das?
Jörg Cosar:
Dann
können wir mit der Tiergartenstraße als Kulturgut machen was wir wollen.
Das können wir im Augenblick nicht - und dann auch in 50 Jahren nicht.
Heinz Falk:
Sie
können eben nicht machen, was sie wollen. Der Verkehr wird nur
geringfügig reduziert ...
Jörg Cosar:
...
Ich kann die Geschwindigkeit drosseln, ich kann die Pflasterung ändern,
ich kann den Eisernen Mann in die Mitte stellen, ich kann links und rechts
daran vorbeifahren, kann dort spazieren gehen, Fahrrad fahren. Jeder wird
die Straße nutzen.
Heinz
Falk: Wenn da noch 70 Prozent des jetzigen Verkehrs fließt, wird da
keiner auf der Straße spazieren.
Jörg
Cosar: Aber sie wissen doch jetzt noch gar nicht, wie viele Leute auf
die Querspange abbiegen werden.
Frage:
Die Verbindung von Ober- und Unterstadt bleibt ein Hauptproblem. Welche
Lösungsansätze gibt es?
Heinz
Falk: Aufgrund der schwierigen topographischen Lage gibt es ja nur
zwei Möglichkeiten in die Oberstadt zu kommen: Entweder über den Klever
Ring oder über die Gruft. Und hier geht es langfristig nicht nur darum,
wie man diese eine Stelle entlastet, sondern grundsätzlich ein
Verkehrskonzept entwickelt, das Wirkung hat. Die Gruftlösung ist absolut
unakzeptabel. Das liegt aber daran, dass es keine vernünftigen
Alternativen gibt. Und darüber muss man sich Gedanken machen. Mein Punkt:
Der Bau der Querspange verhindert eine großräumige Denkweise, die im
Moment nicht existiert. Das wird von Herrn Rauer ja zugegeben, dass kein
Konzept für Kleve auf längere Sicht vorliegt.
»Ich
denke, dass die Mehrheit der Klever die Querspange will.«
Frage:
Wie wird sich die Situation an der Kreuzung Hotel Cleve entwickeln?
Jörg
Cosar: Dies müssen wir uns ganz genau anschauen. Da müssen wir
konzentriert darüber nachdenken. Sonst sind an dieser Stelle die Staus
vorprogrammiert.
Heinz
Falk: Und genau das meine ich: Es fehlt ein Gesamtkonzept. Wir machen
mit der Querspange eine Maßnahme und es ist keiner da, der mal
ausrechnet, welche Folgen das für andere Kreuzungen hat. Was passiert,
wenn die Querspange kommt, und was muss man machen? Das bemängeln wir,
dass diese Überlegungen nicht angestellt werden. Man darf so ein Planung
nicht freigeben, so lange das nicht geklärt ist.
Jörg
Cosar: Aber wir sind doch erst im Planungsprozess.
Heinz
Falk: Nein, das sind wir nicht. Wir sind in einem Planungsprozess, der
über keine Zahlen verfügt, die Wirkungen belegbar machen. Das ist
einfach eine Luftplanung.
Frage:
Wie geht die Planung denn jetzt weiter? Hat die CDU sich festgelegt?
Jörg
Cosar: Ich bin als Stadtverbandsvorsitzender eindeutige dafür, aber ich
höre auch die kritischen Stimmen, ich habe meine Antennen überall. Zurzeit
bin ich davon überzeugt, dass die Mehrheit der Klever die Querspange will.
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HINTERGRUND
Die Beschlussvorlage
In der Beschlussvorlage für den Bau der Querspange heißt es:
„Es hat sich jedoch herausgestellt, dass insbesondere zu den
Stoßzeiten die Kreuzung Tiergartenstraße / Gruftstraße
verkehrlich stark belastet ist. Außerdem zeigt sich, dass der
Durchgangsverkehr an dieser Kreuzung vielfach nicht der
Bundesstraße folgt, sondern die naheliegende, weil kürzere,
Straßenverbindung geradeaus durch die Innenstadt bevorzugt. Dort
trägt der Durchgangsverkehr zu einem unerwünscht hohen
Verkehrsaufkommen bei. Aus diesem Grund hat die Stadt Kleve den
Landesbetrieb Straßenbau gebeten, eine Straßentrasse zu
entwickeln, die zur Entlastung des Kreuzungspunktes
Tiergartenstraße / Klever Ring / Gruftstraße und der Innenstadt
beiträgt."
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