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NRZ, 22.02.2011

„Politiker haben zu viel versprochen"

IHK-Verkehrsexperte Werner Kühlkamp hält eine zügige Realisierung der Ortsumgehung Kellen für unwahrscheinlich

Andreas Gebbink

 

Werner Kühlkamp

Kreis Kleve. Werner Kühlkamp sieht es nüchtern: „Die Politiker haben zu viel versprochen." Den angesehenen Verkehrsexperten der niederrheinischen Industrie- und Handelskammer (IHK) in Duisburg überrascht die vorläufige Absage der Ortsumgehung in Kellen nicht sonderlich: „Hier wurden Erwartungen geweckt, die man nicht einhalten konnte", sagt Kühlkamp mit der Gelassenheit eines Langstreckenläufers. Vor dem Hintergrund des jetzigen Sparhaushaltes der Landesregierung sei ein Realisierung der Umgehungsstraße in weite Ferne gerückt: „Der Verkehrsminister hat deutlich betont: Alle Straßenprojekte stehen auf dem Prüfstand."

Erschwerend komme hinzu, dass man auch bei Straßen.NRW Personal einsparen müsse, was zu deutlichen Planungsverzögerungen führen werde. Grundsätzlich betreffe dies alle Projekte.

Dass die neue Landesregierung jetzt erst einmal Straßen sanieren und unterhalten möchte, anstatt neue zu bauen, hält Kühlkamp für eine gute Maßnahme: „In NRW gibt es einen großen Unterhaltungsrückstand. Das wird man im Kreis Kleve nicht so merken, weil hier die Straßen oft in Ordnung sind, aber wir sprechen NRW-weit von einem Investitionsstau in Höhe von 350 Millionen Euro", so Kühlkamp.

Für Neubauvorhaben sehe es schlecht aus: Etwa für die Nord-West-Tangente in Weeze, die den Flughafen besser an die A57 anbinden soll: „Dieses Projekt wurde jetzt ordentlich nach hinten geschoben." Auch in die Planungen der B67n von Kalkar-Kehrum nach Uedem komme „ordentlich Zeitverzögerung", sagt Kühlkamp. Erst Ende 2010 gehen die Unterlagen der Vorentwurfsplanung zum Bund: „Und erst dann startet das Planfeststellungsverfahren." Aus langjähriger Erfahrung weiß die „Verkehrseminenz" der IHK: „Irgendein Bauer oder Anwohner klagt immer. Klagen kommen wie das Amen in der Kirche und verzögern die Planungen um Jahre."

Die Querspange in Kleve hält Kühlkamp nur für die zweitbeste Lösung. „Aber eine Trasse durch die Düffel ist nicht realistisch. Da beißt man sich die Zähne aus." Die für die Trasse zu kreuzende Bahnlinie sollte man nach Kühlkamps Ansicht nicht entwidmen: „Aus planerischer Sicht sollte man das nicht tun, sonst dauert es Jahre bis man über eine Reaktivierung der Strecke Kleve - Nimwegen nachdenken kann." [Hervorhebung durch R.H.]

„Flughafen wird Wachstum fortsetzen"

Ein Bauwerk benötige man für die Querung der neuen Bundesstraße jedoch nicht: „Eine Schrankenlösung reicht als Zugsicherung völlig aus", sagt Kühlkamp. Nur bei Geschwindigkeiten über 160 Km/h müsste man eine Unteroder Überführung bauen.

Die aktuell prekäre Lage des Flughafens Niederrhein beurteilt der IHK-Experte mit gebührendem Abstand: „Mittel- und langfristig wird der Flughafen seinen Wachstumspfad fortsetzen. Er ist seit drei Jahren der am stärksten wachsende Flughafen in NRW. Andere Flughäfen wie Münster oder Dortmund kämpfen jetzt auch und haben viel größere Kredite zu stemmen." Bis auf die 3,5 Millionen Euro Konversionsmittel sind für Kühlkamp noch keine klassischen Subventionen geflossen: „Die 23,5 Millionen Euro Kreiskredite verbrät ein Dortmunder Flughafen jedes Jahr." Die anstehenden Infrastrukturmaßnahmen (Verbesserung Kanalnetz) sieht Kühlkamp weniger kritisch: Diese Maßnahmen könne man zeitlich strecken.